Compliance
Wir freuen uns heute den zweiten Teil des Gast Artikels zum Thema Compliance veröffentlichen zu können, den Frau Andrea Berneis für Stark im Alltag verfasst hat.
Frau Berneis ist Rechtsanwältin in Düsseldorf mit Spezialisierung im Bereich Compliance.
Compliance
Ich lade Dich auf ein Gedankenexperiment ein. Stell Dir vor, du bist Betriebsrät*in. Dein Unternehmen hat eine Dienstleistung ausgeschrieben, und die Firma Dings & Co. nimmt an der Ausschreibung teil. Da der Inhaber gleichzeitig dein Schwager ist, überlegst du, ob Du in Deiner Funktion als Betriebsrät*in Einfluss nehmen könntest, damit Dings & Co. den Auftrag erhält. Wie weit würdest Du gehen? Beschaffst Du Dir beim Einkauf die Unterlagen der anderen Ausschreibungsteilnehmer und leitest diese an Deinen Schwager weiter, damit er sein Angebot entsprechend anpassen kann? Führst Du ein persönliches Gespräch mit dem Einkäufer und versuchst, ihn von den hervorragenden Leistungen der Firma Dings & Co. zu überzeugen? Stellst Du dem Einkäufer vielleicht sogar in Aussicht, es werde „sein Nachteil nicht sein“, wenn er Deinem Schwager den Auftrag erteilt?
Wenn Du eine der genannten Ideen im Ernstfall in Betracht ziehst, würdest Du Dich womöglich strafbar machen. Es ist zwar denkbar, dass die Firma Dings & Co. die Dienstleistung in objektiv guter Qualität erfüllt. Vielleicht liegt das Angebot sogar im Rahmen der marktüblichen Preise. Diese Voraussetzungen sind allerdings ausschließlich von der Einkaufsabteilung zu prüfen. Wer die internen Beschaffungsprozesse ignoriert oder beeinflusst, weil er (auch) persönliche Zwecke verfolgt, setzt sich dem Vorwurf der Vetternwirtschaft aus. Ein solcher Verdacht kann das Ansehen der eigenen Person und sogar des gesamten Betriebsratsteams beschädigen. Deshalb gilt für Betriebsrät*innen wie für alle anderen Entscheidungsträger: Bei Interessenkonflikten muss Transparenz geschaffen werden. Hilfreich sind klar definierte Prozesse, wie zum Beispiel das Vieraugen-Prinzip bei Beschaffungsvorgängen. Im Zweifel ist Dein Vorgesetzter oder eine Ombudsperson zu Rate zu ziehen. Und schließlich gilt auch bei der Korruptionsprävention: Trainieren hilft. Wenn du die notwendigen Regeln kennst und Dir die Fallstricke geläufig sind, wirst Du auch in Zukunft keine Pannen erleben. In Expertenkreisen nennt man das Compliance.
Wissen macht selbstbewusst
Betriebsrätinnen und Betriebsräte üben Macht aus. Das gehört zu ihrem Job. Wie in anderen Unternehmensbereichen auch zeigen diejenigen, die sich nicht an Spielregeln halten, oft symptomatische Auffälligkeiten. Der Kollege, der immer als Erster da ist und als Letzter geht, der auch am Wochenende und im Urlaub am Handy erreichbar ist, derjenige, der keinen Widerspruch von Mitarbeitern duldet und dessen Führungsstil als autoritär bezeichnet wird; die Kollegin, die als Einzige einen Zugang zum System hat und niemandem Einblick gewährt, die ihren Resturlaub lieber verfallen lässt, als eine Stellvertreterin zu benennen, die immer fleißig ihren Aufgabenbereich bearbeitet und sich damit vermeintlich unersetzlich macht; diese Beispiele zeigen, dass Transparenz von manchen Kolleg*innen vermieden wird. Wenn dies innerhalb einer Organisation akzeptiert wird, ist ein Nährboden für unethisches Handeln und Machtmissbrauch geschaffen.
Wer kein Interesse an fairem Handeln hat, dem ist mit Argumenten kaum beizukommen. Wer hingegen auf der sicheren Seite sein will, kann sich informieren. Vermutlich wird ein gut informierter Betriebsrat auch zukünftig mit unethischen Angeboten rechnen müssen. Ebenso wird der Druck, der Aufgabe als gewählte(r) Interessenvertreter*in gerecht zu werden, nicht verschwinden. Es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Knurren und Zähne zeigen kann jeder. Viel wirksamer ist es, das eigene Selbstverständnis zu schärfen, durch Wissen über die eigenen Rechte und Klarheit über die eigenen Ziele. Wer viel (über sich selbst) weiß, ist weniger von bellenden Hunden zu beeindrucken.
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